Trans im Alter: Interview mit David Garcia Nuñez
«Trans Personen vor transnegativen Aussagen zu schützen, ist kein ‹nice to have›»
David Garcia Nuñez (*1975) ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Sexualtherapeut. Er leitet den Innovations-Focus für Geschlechtervarianz am Universitätsspital Basel und erforscht die gesundheitlichen Folgen von Stigmatisierungsmechanismen auf sexuelle und geschlechtliche Minderheiten. Garcia Nuñez ist cis Mann und lebt mit seinem Partner in Zürich, ist für die Alternative Liste Mitglied des Zürcher Gemeinderats sowie Mitglied des erweiterten Vorstands von queerAltern.
David Garcia Nuñez
queerAltern: Was ist bekannt bezüglich Spätfolgen bzw. Nebenwirkungen von Hormonbehandlungen, die allenfalls erst im Alter zu einem Problem werden?
David Garcia Nuñez: Die Hormonbehandlung von trans Personen ist eine absolut sichere Sache. Zwar ist sie nicht ganz risikofrei, unter anderem, was die Gefahr von Thrombosen anbelangt, aber sie stellt überhaupt kein Problem dar, wenn regelmässige ärztliche Kontrollen – auch im Alter! – stattfinden. Langzeitschäden oder Spätfolgen sind gemäss klinischer Erfahrung und wissenschaftlicher Studien kaum zu befürchten. Insbesondere die Angst, dass die Hormone à la longue zu Krebs führen, ist unbegründet.
Auf welche Weise altern geschlechtsangeglichene Genitalien im Alter? Schaffen sie körperliche Probleme, die in jüngeren Jahren nicht auftreten?
Über die Langzeitauswirkungen von genitalangleichenden Operationen weiss man relativ wenig. Wichtig ist auch an der Stelle die ärztliche Nachsorge, welche jedoch in vielen Fällen nicht stattfindet. So wäre es beispielsweise wichtig, dass operierte trans feminine Personen sich regelmässig gynäkologisch/plastisch chirurgisch behandeln lassen würden. So könnten allfällige Probleme wie Schrumpfungen oder Hautprobleme früh angegangen werden. Analog sollten operierte trans maskuline Personen sich urologisch kontrollieren lassen. So oder so ist in beiden Fällen das Wichtigste, dass die Hormonbehandlung konsequent befolgt wird. Nach Entfernung der primären Genitalorgane sind die Hormone überlebensnotwendig.
«Eine einfühlsame und gute medizinische Beratung ist das A und O. Insbesondere, da manche dieser Personen leider sehr schlechte Erfahrungen im Gesundheitssystem gemacht haben.»
Bedeutet die gynäkologisch/plastisch chirurgische Behandlung, dass sich ein genitaloperierter trans Mensch alle paar Jahre unters Messer legen muss? Also trans Männer und trans Frauen?
Nein, absolut nicht. Bei diesen Behandlungen geht es um gewöhnliche Routinekontrollen. Nachoperationen sind eher selten und können gerade durch eine gute postoperative Nachsorge vermieden werden.
Welche Besonderheiten bezüglich Chirurgie und Hormontherapie gibt es bei intergeschlechtlichen Menschen?
Die Situation von inter Personen ist noch viel diverser als diejenige von trans oder cis Personen. Da ist eine einfühlsame und gute medizinische Beratung das A und O. Insbesondere, da manche dieser Personen leider sehr schlechte Erfahrungen im Gesundheitssystem gemacht haben. In diesem Sinne ist hier der Aufbau einer tragenden ärztlichen und pflegerischen Beziehung viel wichtiger als bei anderen Gruppen.
Was ist in psychischer Hinsicht bei der Betreuung von alten trans Menschen vor allem zu beachten? Ich denke an den Umgang von Betreuungs- und Pflegepersonen mit trans Menschen.
Trans Menschen brauchen nicht einen «grundsätzlich» anderen Umgang als andere Personen. Vorausgesetzt, dass das Personal die Grundnormen des Respekts befolgt. Dazu gehört die richtige Ansprache, keine Exotisierung der Transition, das Besprechen von Themen zur richtigen Zeit am richtigen Ort und so weiter. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass das Personal transnegative Aussagen und/oder Handlungen sofort anspricht und dagegen vorgeht. Trans Personen vor solchen Situationen zu schützen, ist nicht ein «nice to have», sondern eine wichtige präventive Massnahme, damit sich jede Person in Frieden entwickeln kann.
Gibt es sonst etwas, das es zu beachten gilt?
Es gäbe Millionen von Themen. Aber ich will dich da nicht zukleistern. Ich denke, dass du die wichtigsten Themen mit deinen Fragen abgedeckt hast.ckeln kann.
Die Fragen stellte Christian Wapp. Das Interview wurde schriftlich geführt.